Schwitzen im 20-Sekunden-Takt
Irgendwie hatte ich mir das in Woche 6 schön einfach vorgestellt. Ein gemütlicher und unkomplizierter Besuch im Studio. Mich mit Personal-Trainerin Miriam Junggeburth treffen und mir von ihr einen schicken Fitness-Trend zeigen lassen. Sie ist von der Idee begeistert. "Wir machen Tabata." Tabata... Der japanische Begriff klingt so schön entspannt. Irgendwie nach Ruhe, Meditation, Ausgeglichenheit und innerer Mitte.
Eins ist sicher: Meine innere Mitte spüre ich am Tag danach ganz deutlich. Jedes Husten, jedes Aufstehen, jedes Beugen: Die Hölle. Meine innere Mitte besteht nur noch aus schmerzenden Bauchmuskelfasern, die bei jeder noch so kleinen Bewegung bitterlich aufheulen. Und dieser Schmerz in den Oberschenkeln... Hinsetzen oder Aufstehen ohne Hilfe? Aktuell nicht möglich. Und auch die Schultermuskulatur verursacht in meinem Gehirn nur noch ein Geräusch: Mimimimi.
Quälen für den Nachbrenneffekt
Tabata hat nichts mit fernöstlicher Gelassenheit zu tun. Höchstens mit fernöstlicher Effektivität. Erfunden hat es der japanische Wissenschaftler Izumi Tabata. Er hat schon vor gut zwanzig Jahren in einer Studie festgestellt, dass hochintensives Intervalltraining effektiver ist als zum Beispiel herkömmliches Cardiotraining. Stichwort: Nachbrenneffekt. Dadurch, dass beim Tabata große Muskelgruppen auf Höchstleistung gebracht werden, soll der Stoffwechsel extrem angekurbelt werden und auch noch lange nach der Trainingseinheit ordentlich Kalorien verbrennen. Tabata-Anhänger sind davon überzeugt, dass drei Intervalle à 4 Minuten mehr bringen, als sich zum Beispiel morgens eine Stunde auf dem Crosstrainer zu quälen. Ich finde, dass das ziemlich gut klingt - in kurzer Zeit viel Fett ab- und Muskeln aufzubauen. Da bei hochintensiven Trainings wie Tabata die Gefahr besteht, durch falsche Übungsausführung dem Körper mehr zu schaden, als zu helfen, lass ich mich beim Training intensiv von Miriam begleiten. Sie erklärt mir erstmal das Grundprinzip von Tabata.
(20+10) x 10 = Muskelkater
Absolviert werden mehrere unterschiedliche Übungen – für mich hat sich Miriam heute zehn verschiedene ausgedacht: Burpees, Thruster, Dips, Hollow, Arch, Mountainclimber, Wall Balls, Russian Twist, Squat Hold und zum Abschluss - weil es so schön war - nochmal Burpees. Unter den meisten Begriffen kann ich mir erst mal nichts vorstellen, deswegen macht Miriam mir vor, wie ich eine schwere Platiskrolle aus der Kniebeuge stemme, einen Medizinball gegen die Wand werfe und die Hände beim Burpee aufsetze. Jede Übung soll ich zwanzig Sekunden lang durchziehen, dann habe ich zehn Sekunden Pause, um zur nächsten Station zu wechseln. Eine Einheit - also ein Tabata - dauert in meinem Fall (mit zehn Übungen und Pausen) fünf Minuten. Fünf Minuten, in denen ich ans absolute körperliche Limit gehen soll. Damit trainiere ich dann nicht nur die Muskulatur, sondern auch die Ausdauer. Puh.... Dann mal los. Miriam spornt mich an: "Drei, zwei, eins.... GO!"
Die Hände gehen zum Boden, ich springe in den Liegestütz, dann wieder in die Hocke und danach mit einem Strecksprung nach oben. Burpees sind abgeblich extrem effektiv. Ich finde sie vor allem extrem anstrengend. Nach den 20 Sekunden bin ich aus der Puste und mein Kopf ist hochrot. Nächste Übung: Thruster. Ich stemme eine Plastikrolle über den Kopf, lasse sie wieder ab und gehe dann in eine Kniebeuge. Meine Oberschenkel und meine Schultern haben also gut zu tun. "Nicht die Knie nach innen fallen lassen", ruft Miriam mir zu. Als nächstes muss mein Trizeps dran glauben. Ich setze mich auf einen Stepper, rutsche mit den Füßen nach vorne bis mein Po frei in der Luft schwebt und mache Dips, lasse mein Becken also Richtung Boden absinken, bis beide Arme im rechten Winkel gebeugt sind. "Schneller, das kannst du!", spornt Miriam mich an.
Burpees, Burpees und nochmal Burpees
Danach geht es auf den Boden. Erst eine Halteübung für den Bauch, dann eine für den Rücken. Die Muskeln brennen, dafür kann ich kurz ein bisschen durchatmen und den Puls etwas runter bringen. Allerdings kommt der Herzschlag schnell wieder in Schwung, denn nach einer kurzen Zehn-Sekunden-Pause muss ich in der Liegestütz-Position auf der Stelle rennen. Und direkt danach aus der Kniebeuge aufstehen und einen schweren Ball gegen die Wand werfen. Völlig aus der Puste darf ich mich dann wieder hinsetzen, mit einer Kettbell in der Hand. Ich löse die Beine vom Boden und drehe den Oberkörper mit dem Gewicht vor dem Bauch von links nach rechts. Russian Twist. Ich verziehe das Gesicht, denn es zieht ordentlich in meiner seitlichen Bauchmuskulatur. "Gleich geschafft", grinst Miriam. Sie treibt mich an, auf eine nette aber bestimmte Art, sodass ich nicht jammere und nicht aufgebe, sondern mich durchbeiße. Nach dem Russian Twist muss ich noch 20 Sekunden lang eine tiefe Kniebeuge halten und dann noch mal zurück zu den Burpees. Die Dinger hasse ich wirklich leidenschaftlich - auf dem Video im Nachhinein zu sehen, wie langsam ich mich dabei bewege, frustriert zusätzlich. Egal. Weitermachen. Dranbleiben. Nicht verzagen und sich nicht mit zu viel Selbskritik ausbremsen. Auch wenn Miriam meine Bewegungsausführung immer wieder korrigieren muss, habe ich das Gefühl, dass sich das regelmäßige Training im Fitnessstudio inzwischen auszahlt. Vieles fällt mir leichter, ich kann Muskeln gezielt ansteuern, von deren Existenz ich vor einem halben Jahr noch nichts wusste.
Ab sofort: Immer zeit für Sport
Insgesamt drei Mal schaffe ich das Tabata-Zirkeltraining, das Miriam mir zusammengestellt hat. Am Ende ist mein Gesicht mit Schweißperlen überströmt. Ich bin außer Atem. Habe Durst. Aber: Meine Muskulatur ist auf eine sehr schöne Art müde. Und als Miriam mir ihre Hand zum High Five hinhält, bin ich glücklich: Ich hab mich durchgebissen. Tabata erfordert bei mir keinen Mut, so wie Skifahren oder Tauchen. Es erfordert eine andere Art von mentaler Stärke. Durchhalten, Selbstzweifel bekämpfen und das Ziel vor Augen haben. Eine Viertelstunde lang alles zu geben ist nicht zu viel verlangt.
Und damit ist auch eins für die Zukunft absolut sicher: "Ich habe keine Zeit für Sport" gilt als Argument einfach nicht.
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