Die Ritter der Poolnudel

Mittelalterliches Turnierreiten - Woche 25

Was hab ich das vermisst - diesen Geruch nach Heu und Stall, das leise Schnauben der Pferde und die Ruhe, die das bei mir auslöst. Gut 15 Jahre ist es jetzt her, dass ich mit dem Reiten aufgehört habe. Doch als ein guter Freund aus Pferdezeiten mir vorgeschlagen hat, mit zum mittelalterlichen Turnierreiten zu kommen, war ich sofort begeistert. Endlich mal wieder aufs Pferd!

 

Also war ich in Woche 25 zu Gast beim Hasthaushof in Ratingen für einen Schnuppertag im mittelalterlichen Turnierreiten. Reitlehrerin Iris Hahne stellt mir meinen Partner dafür vor: Big Ben, ein Tinkerwallach, der genug Altersweisheit und Erfahrung besitzt, um mich sicher durch den Tag zu tragen. Ich bin sofort verliebt in das schwarz-weiß gefleckte Pferd mit der wuscheligen Mähne und dem kleinen Schnauzbart an der Oberlippe. Ich habe aber auch Respekt, denn ich habe ewig nicht auf einem Pferd gesessen. Ich bürste Ben sanft die Ohren, er lässt entspannt die Unterlippe hängen und döst vor sich hin. Soweit verstehen wir uns also schon mal.

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Die ehrwürdigen Ritter Stolzenhaus

Iris und ihre Mitstreiter sind durch und durch Mittelalterfans. Als "Ritter Stolzenhaus" sind sie auf Ritterturnieren und Mittelalterfesten unterwegs und Iris ist dann nicht mehr Iris, sondern Freifrau von Stolzenhaus. Und aus meinem Freund Jörg wird Hilger Heinrich Birklin. Bei Showveranstaltungen zeigen sie Turniertechniken aus dem 13. Jahrhundert, wie Ringstechen, Saujagd, das Reiten mit der Lanze gegen Kippschilder und natürlich auch Tjosten. Alles ein bisschen wie im Film "Ritter aus Leidenschaft". Auch an Wettkämpfen nehmen sie teil, es gibt tatsächlich eine "International Jousting League", also offizielle Wettkämpfe im Tjosten. In der Liga sind 300 Mitglieder aus 21 Staaten organisiert. Besonders ernst ist es den Briten mit dem Tjosten - sie haben sogar mal die Idee aufgebracht, den Sport doch olympisch zu machen. Tjosten, bzw. mittelaterliches Reiten ist durchaus ernst zu nehmen. Zwei Reiter in Rüstungen galoppieren in vollem Tempo in einer abgegrenzten Turnierbahn aufeinander zu. Ihr Ziel: Ihre Lanze auf dem Schild des anderen zu zerbrechen. Oder - je nach Disziplin - den Gegner vom Pferd zu holen. Das ist nichts für Weicheier und es steckt viel Training dahinter. Für den Reiter, der lernen muss, mit schwerem Helm und Rüstung zu reiten. Aber vor allem für die Pferde, die behutsam an flatternde Fahnen, Lanzen und die Turnieratmosphäre gewöhnt werden müssen.

"Whooooooo" heißt "Halt"

Big Ben ist zum Glück ein alter Hase im Mittelalterlichen Turniergeschäft. Entspannt wandert er neben mir her auf den Übungsplatz und lässt mich geduldig aufsteigen. Von Unruhe keine Spur, ich habe eher Mühe, ihn dazu zu bewegen, sich auch mal im Trab oder Galopp vorwärts zu bewegen. Ich schnalze, aber nichts passiert. Reitlehrerin Iris grinst. "Das kennen meine Pferde nicht. Sie reagieren auf 'Go' und 'Whooooooo'". Und tatsächlich: Als ich energisch "Go" sage, fällt Ben in einen gemütlichen Galopp. Auf "Whooooo" bremst er sofort. Was für ein cooles Pferd. So können wir arbeiten. Iris verteilt lange Holzstäbe, eine Light-Version der Lanzen für uns Anfänger. Unsere erste Übung: Lanze richtig tragen und wegwerfen. Das ist wichtig, denn sollte Ben sich doch mal erschrecken und wegspringen, darf ich mit der Lanze weder ihn, noch mich, noch sonst wen treffen. Als das sichere Wegwerfen bei allen sitzt, fangen wir mit den Übungen an: Kleine Schilder auf dem Boden mit der Lanze umstoßen und Ringe stechen. Erst ganz bedächtig im Schritt. Dann versuche ich es im Galopp. Es ist ganz schön schwierig, die Mitte der kleinen Ringe zu treffen, wenn man sich gleichzeitig auf das galoppierende Pferd konzentriert. Immerhin einen kann ich sammeln. Am Ende der Bahn darf ich ihn direkt tauschen - in ein Holzschwert.

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Für die nächste Übung hat Iris Melonen auf Holzpfeilern befestigt, die wir mit dem Schwert treffen sollen. Im Schritt kein Problem, im Galopp eine ganz schöne Herausforderung. Ich zerteile motiviert die Luft, haue mehrmals den Holzpfahl um und lehne mich weit aus dem Sattel. Offenbar zeige ich so viel Einsatz, dass mich die Profis für in der Lage halten, das Metallschwert auszuprobieren. Schwer ist das Ding! Und zum Glück stumpf, sodass ich keinen Schaden anrichten kann. Immerhin gelingt es mir zweimal, die Melone vom Holzstamm zu stoßen.

Saujagd, Kippschild und Speerwerfen

Als nächstes ist Speerwerfen dran. Erstmal auf ein unbewegliches Ziel - eine Strohscheibe, die auf dem Boden steht. Schwieriger wird es, als Iris mit ihrem Pferd einen mit Stroh gefüllten Kartfoffelsack auf dem Boden hinter sich her zieht. Ich folge ihr mit Ben und versuche, den Sack mit meinem Wurfspeer zu treffen. Vom galoppierenden Pferd aus zu zielen und zu werfen, fühlt sich ziemlich amazonenmäßig an. Genauso wie das Reiten mit der Lanze auf das Kippschild. Big Ben ist eine große Hilfe. Routiniert galoppiert er mit mir durch die Bahn und gibt mir so viel Sicherheit, dass ich tatsächlich Lust aufs Tjosten bekomme.

Der Kampf der Poolnudeln

Dafür bekommt jeder von uns eine Schaumstoffstange in die Hand gedrückt, es soll sich ja niemand verletzen. Dann stellen wir uns mit unseren Pferden an den beiden Enden der Bahn auf. Als Ben und ich dran sind, wird er plötzlich wach. Als wolle er sagen: "Ich weiß, was jetzt kommt!" Er spitzt die Ohren nach vorne, tänzelt ein bisschen auf der Stelle und auf mein 'Go' galoppiert er ungewohnt motiviert in die Bahn. Mit gezückten Poolnudeln reiten wir donnernd aufeinander zu. Pieksen uns kurz damit in den Bauch und amüsieren uns ritterlich. Mittelalterliches Turnierreiten ist bisher sicher der ungewöhnlichste Sport, den ich ausprobiert habe. Und einer der spaßigsten! Vor allem, wenn man einen so lieben und zuverlässigen Sportpartner wie Big Ben hat.

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Für wen?

Für Menschen, die Pferde, Geschicklichkeitsspiele und das Mittelalter mögen. Auch mit wenig Reiterfahrung machen die Ritterspiele Spaß, denn alle Übungen können im Schritt geritten werden. Und wer ein eigenes Pferd hat, kann es mitbringen und an flatternde Fahnen und Lanzen gewöhnen.

Wie und wo?

Unbedingt nötig: Eine sichere Reitkappe. Kann man notfalls auch ausleihen. Auch nicht schlecht: Eine eng anliegende, lange Sporthose. Oder im Idealfall eine Reithose. Und Schuhe mit leichten Absätzen. Die verhindern, dass die Füße in die Bügel rutschen. Der Hasthaushof in Ratingen bietet dieses Jahr noch mehrere Schnupperkurse an.